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Vodou - Kunst und Kult aus Haiti

Die Sammlung Lehmann muss gerettet werden!

Gardé Zazi Wangòl

Miroir d'interpellations

1. Vodou auf Haiti 2. Die Entstehungskollektiongeschichte der Sammlung 3. Die Kollektion Marianne Lehmann 4. Die Katalogisierung der Kollektion 5. Die Ausstellungen in Genf Amsterdam und Berlin 6. Das Museum auf Haiti 7. Zeitplan

VODOU AUF HAITI

Wie der Candomblé in Brasilien, die Santería auf Kuba, der Shango-Kult auf Trinidad, gehört auch der haitianische Vodou zu den afro-amerikanischen Religionen, welche verschleppte Schwarze aus Afrika begründeten, gestützt auf ihr afrikanisches Erbe und die sozio-historischen Gegebenheiten dieser ehemaligen Kolonien.
In Haiti vermischten sich Kultformen der Sklaven verschiedener afrikanischer Herkunft mit den religiösen Vorstellungen der indianischen Urbewohner und Elementen des katholischen Glaubens, den die Eroberer aus Spanien und später die französischen Kolonialherren auf der Insel verbreiteten.
Beim Aufstand der Sklaven 1804, dem ersten erfolgreichen Aufstand gegen die Kolonisatoren, hatte Vodou eine wichtige Bedeutung. In ihren Geheimgesellschaften entwickelten sie mit der Zeit sehr eigenständige Kultobjekte, die immer im Zentrum ihrer religiösen Zeremonien standen. Diese Kultobjekte haben eine ungemein starke Ausstrahlung und sind künstlerisch teilweise auf höchstem Niveau. Kult und Kunst in einem.


Die Entstehungsgeschichte der Sammlung

Seit nahezu 50
Jahren lebt die gebürtige Schweizerin Marianne Lehmann in Port-au-Prince auf Haiti. Sie zog mit ihrem haitianischen Ehemann 4 Kinder gross und arbeitete in der Schweizer Botschaft. Vor über 25 Jahren bot ihr ein Vodoupriester ein Kultobjekt zum Kauf an und damit begann ihre Passion für diesen wichtigen Teil der haitianischen Kultur. Mit den Jahren wuchs ihr Verständnis für diese Objekte, auf der anderen Seite entdeckten aber auch die haitianischen Vodoupriester in Marianne Lehmann eine «Beschützerin» ihrer Kultgegenstände, die sie meist aus ökonomischen Zwängen veräusserten. Für sie war klar, dass Frau Lehmann diese Kunstschätze nicht an private Sammler oder Museen in Europa und Amerika verkaufen und Haiti somit seines genuinen Kulturerbes beraubt wird.
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Die Kollektion Marianne Lehmann
Was Marianne Lehmann hier in den letzten 25 Jahren aufgebaut hat, ist absolut einmalig und ein äusserst wertvoller Beitrag zur Erhaltung dieses fantastischen haitianischen Kulturerbes. Die Kollektion besteht aus über 2500 Gegenstände, davon viele aus dem 19. Jahrhundert, die meisten davon sind in exzellentem Zustand.
Die Sammlung besteht aus zwei Hauptgruppen von Objekten.
Zur ersten gehören acht grosse Installationen – eigentliche rituelle Säle – und eine Anzahl weiterer Objektgruppen, die von Anfang an als Ensembles konzipiert waren. Diese Ensembles sind insofern ungewöhnlich, als sie ihre ursprüngliche Kohärenz bewahrt haben und eine Fülle von Unterweisungen zum Verständnis des Universums bieten, dem sie entstammen.
Zur zweiten Gruppe gehören tausende verschiedenartiger Objekte, die der Zerstörung entgangen sind. Krüge, Fahnen, Halsbänder, Rasseln, Kostüme, Statuen. Sie werden zwar einzeln gezeigt, gehören aber alle zum rituellen Arsenal des Vodou, welches die Stücke der Sammlung ausführlich illustrieren.
Die Ausstellungsobjekte lassen sich in drei Kategorien einordnen:
Objekte, die zum Vodou der so genannten «Ginen Franc»-Tradition gehören, dem hauptsächlich alltäglichen, familiären Brauchtum und der traditionellen Religion.
Objekte, die zum magisch-religiösen «Makaya-System» gehören, das an den Kampftraditionen des haitianischen Volkes anknüpft. In diesem Ritus, der im Rahmen des Heiligen der Magie breiten Raum gibt, haben ikonografische Darstellungen sehr grosse Bedeutung, die zu Transformationszwecken geschaffen und in den Ritus integriert wurden. Die Sammlung Lehmann zeichnet sich dadurch aus, dass sie einer ganzen Reihe von Werken dieser Kategorie breiten Raum gewährt, deren beschwörende Kraft zugleich Bewunderung und Verwunderung auslöst.
Objekte anderen Ursprungs: Die Sammlung umfasst auch eine Anzahl Gegenstände ohne rituellen Zweck, die vor allem aus einer ästhetischen Perspektive geschaffen wurden. Selbst wenn die künstlerische Motivation, der sie ihr Entstehen verdanken, von einer im Bereich des Heiligen wurzelnden Inspiration genährt ist (die Künstler sind meistens Vodou-Priester oder zumindest Initiierte), waren diese Werke vor allem als Dekoration und Schmuck gedacht.
Die Sammlung ist in einem von Frau Lehmann zur Verfügung gestellten Haus untergebracht. Mit vielen Regalen ausgestattet, findet sich ein guter Weg durch das ganze, mit Objekten voll gestopfte 7-Zimmer-Gebäude. Im dazugehörigen Hinterhof lagern v. a. menschengrosse Beton-Tonfiguren, die nur notdürftig durch ein Holzdach geschützt sind.
Frau Lehmann hat diese Sammlung mit grossem Engagement, verbunden mit nicht zu unterschätzenden persönlichen Opfern aufgebaut. Die Zusammenarbeit mit ihr ist ausgezeichnet und verspricht auch für die Zukunft nur Gutes.
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Die Katalogisierung der Kollektion
Frau Lehmann und die sie unterstützende «Fondation pour la Preservation, la Valorisation et la Production d’Oeuvres Culturelles Haïtiennes», sind sehr glücklich, dass mit der Katalogisierung der Sammlung weitergefahren werden kann, nachdem NAWAO das nötige Geld dafür von der DEZA und der Stiftung Gartenflügel organisieren konnte.
Bisher sind ca. 500 Gegenstände erfasst. Diese Arbeit erfolgt in Zusammenarbeit mit Marianne Lehmann, Hénock Trouillot, Reynal Trouillot und Rachel Beauvoir, alles vier Mitglieder der «Fondation», die über kompetentes Wissen verfügen.
Diese Arbeit erledigen sie mit der Unterstützung von StudentInnen der Universität Port-au-Prince. Die Erfassung wird äusserst professionell und auf elektronischem Weg gemacht. Das Geld sollte zur Katalogisierung der allerwichtigsten Objekte reichen und auch Schädlingsbekämpfungs-Aktionen sowie die Restauration einzelner Stücke abdecken
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Die Ausstellungen in Europa
Durch die Evaluationsreise nach Haiti ist definitiv klar: Mit der wirklich umfangreichen «Kollektion Lehmann» lässt sich eine herausragende, spannende, ja spektakuläre und einzigartige Ausstellung für Europa konzipieren. Um hier diese Werke zu vermitteln, sind die Arbeiten verschiedener, sehr qualifizierter Wissenschaftler über Vodou aus Haiti äusserst wertvoll. Die Wissenschaftlerinnen und Forscher stehen auch bei der Konzeption der Ausstellung sowie die Erarbeitung des Kataloges gerne zur Verfügung.
Nach ersten Evaluationen war schnell klar dass ein grosses Interesse an einer Ausstellung dieser weltweit grössten Sammlung von Vodou-Kultobjekten in Europa aus Haiti existiert.
Mittlerweile haben drei Häuser zugesagt: Das Musée d'Ethnographie de la ville de Genève, das Tropenmuseum in Amsterdam und das Ethnologische Museum Berlin-Dahlem. Der Direktor des Genfer Museums, Jacques Hainard wird gemeinsam mit der lokalen Kuratorin Rachel Beauvoir und Marianne Lehmann die Auswahl für die Ausstellungen in Europa besorgen. Über das definitve Vorgehen der Museen wird bei einem gemeinsamen Treffen im März 2006 entschieden. Die nächste Evaluation auf Haiti mit den Kuratoren erfolgt im April 2006.
Die Ausstellung wird in enger Zusammenarbeit mit den vier Museen erarbeitet. Es werden verschiedene Aspekte der haitianischen Kultur miteinbezogen; dabei steht die Sammlung Lehmann im Zentrum. Verbunden mit diesen Ausstellungen ist der Wunsch, das notwendige Museumsprojekt in Port-au-Prince zur Erhaltung der Sammlung Lehmann gemeinsam zu realisieren. Konkret heisst dies, dass wir nur mit Institutionen zusammenarbeiten, die bereit sind, sich langfristig ihren Möglichkeiten entsprechend für das Museumsprojekt auf Haiti zu engagieren.
Der Containertransport der Werke nach Europa wird viel Verpackungs-Know-how erfordern, viele Objekte sind sehr fragil. Die Zollmodalitäten können über eine Partnerfirma der Panalpina Schweiz abgewickelt werden
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Konzeptionierung der Ausstellung mit dem notwendigen lokalen Know-how und der Transport und die Ausfuhr der Werke relativ problemlos realisiert werden können und über die Struktur der NAWAO Produktion mit den Büros in Berlin, Paris und Zürich können wir die Ausstellung in diesen Ländern koordinieren und organisieren sowie die Kampagne für das Museum auf Haiti führen.
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Das Museum auf Haiti
Zur politischen Realisierbarkeit
Es ist klar, dass im Moment, d. h. in den jetzigen unsicheren Zeiten auf Haiti ein Museum nicht realisiert werden kann. Aber in einer Zeit, die von mehr Stabilität geprägt sein wird, kann dieses Projekt Wirklichkeit werden. Notwendig dazu sind eine überzeugende und nachhaltige Konzeption und eine starke Trägerschaft. Die Eröffnung könnte 2010 erfolgen.
Die jetzige Vision der «Fondation» für ein Museum enthält neben Ausstellungsräumen für die «Kollektion Lehmann» und Lagerräumen, auch Räume für wechselnde zeitgenössische Ausstellungen, Räume zur Restauration der Objekte, eine kleine Fachbibliothek, ein Restaurant und einen Museumsshop.
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Zur notwendigen Trägerschaft
Die Trägerschaft könnte in der «Fondation» liegen, die seit 15 Jahren die «Kollektion Lehmann» engagiert und äusserst qualifiziert betreut. Mit dabei ist auch Rachel Beauvoir, Ethnologin und herausragende Kennerin des Vodou, die viel darüber publizierte und auch als lokale Kuratorin für die Ausstellungen in Europa eine Idealbesetzung ist.
Zur Zeit besteht die Fondation aus fünf Personen, und wenn diese Stiftung durch honorige Personen mit entsprechendem Fachwissen verstärkt würde, könnte sich daraus eine auch langfristig funktionierende Körperschaft für das Museum entwickeln.

Zur Finanzierung.
Ich hatte in Port-au-Prince die Gelegenheit, verschiedenste Vertreter unterschiedlicher GOs und NGOs zu treffen und ihnen das Projekt vorzustellen, in Haiti ein Museum aufzubauen. Ganz speziell der Aspekt der Erhaltung des Kulturerbes auf Haiti interessierte die beiden EU-Vertreter, Henri Got und Rune Skinnebach, die eine substantielle Finanzierung des Museums durch die EU als möglich einschätzten.
Ausserdem führte ich über verschiedene Aspekte dieses Projektes unter anderem Gespräche mit Michèle Pierre-Louis, der Direktorin von FOKAL (Soros), dem kanadischen Botschafter Claude Boucher, der auch die Sammlung besichtigte, Gaël Monnin von der Galerie Monnin, Garaudy Laguerre, Direktor der norwegischen NGO ISPOS, Elise Benoit, stellvertretende Direktorin des United Nations WFP, Pierre Esperance, Direktor der haitianischen Menschenrechtsorganisation «Reseau National de Défense des Droits Humains», Ute Braun, Regionaldirektorin der Deutschen Welthungerhilfe, Hans-Christoph Buch, Schriftsteller mit haitianischen Wurzeln, Markus Probst vom Schweizer Konsulat und Bernhard Zaugg von der Helvetas.
Bei diesen Gesprächen kam zum Ausdruck, dass ganz allgemein die Erhaltung dieses speziellen Kulturerbes von Haiti in Haiti sehr begrüsst wird. Praktische und finanzielle Aspekte wurden primär erörtert und einige Organisationen stellten Unterstützung in unterschiedlichster Form in Aussicht.
Bei der nächsten Evaluationsreise wird es möglich sein, die Konzeption für das Museum zu vertiefen, Budgets zu erstellen und vor allem die notwendige Trägerschaft des Musegenauer zu evaluieren.

Zeitplan
März 2006:
Treffen der vier Museen aus Genf, Amsterdam, Berlin und Paris
April 2006: Weitere Evaluationsreise mit dem Kurator Jacques Hainard
Sept. 07 – März 08: Ausstellung im Musée d'Ethnographie de la ville de Genève
Sept. 08 – Feb. 09: Tropen Museum Amsterdam Niederlande
Mai 09 – Sept.09: Ethnologisches Museum Berlin-Dahlem
Dez. 09 – Mai 2010: 3. Museum in EU
2006 - 2010: Aufbau der notwendigen Struktur für das Museum auf Haiti sowie Beschaffung der Finanzen, Aufbau des Museums
2010: Eröffnung des Vodou-Kultobjekt-Museums auf Haiti
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